Information zum Zusätzlichkeitserfordernis

Überblick über die aktuelle Diskussion zum Zusätzlichkeitserfordernis bei der Gewährung von Sachleistungen.

Überblick

Im Einkommensteuergesetz gibt es einige Ausnahmen, um sogenannte Sachleistungen, gegenüber dem normalen Gehalt, steuerlich zu begünstigen. Die Bedingung hierfür ist, dass sie zusätzlich zum normalen Arbeitslohn gewährt werden. Dies war Ausgangspunkt für die Diskussion um das Zusätzlichkeitserfordernis bei der Gewährung von Sachleistungen. Denn was bedeutet zusätzlich?

Aktuell

Stand: 09.06.2021
 

Mit dem BMF-Schreiben vom 13.04.2021 wurde Klarheit geschaffen. Die Formulierung "zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn" wurde wie folgt erläutert:

  • Keine Vorleistung durch den Arbeitnehmer
  • Keine nachträgliche Kostenerstattung durch den Arbeitgeber
  • Steuerliche Vorteile im Rahmen von Gehaltsverzicht oder -umwandlungen sind ausgeschlossen
  • Eine arbeitsvertragliche Zweckbestimmung führt nicht zur Annahme eines Sachbezugs

Konkrete Beispiele für Anwendungsfälle können Sie im Schreiben des BMFs (Rdnr.: 22) nachlesen. 

Hintergrundinformationen

Im Folgenden haben wir einen chronologischen Überblick zusammengestellt, was bisher passiert ist. 
 

27.11.2020 Ausblick Jahressteuergesetz 2020

Mit dem Jahressteuergesetz wird es aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem neuen § 8 Abs. 4 EStG kommen. Hierin sollen Kriterien formuliert werden, was unter einer Leistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ zu verstehen ist.

Eine Rückwirkung auf „alle offenen Fälle“ wird es aber voraussichtlich nicht geben, da diese Forderung des Bundesrates von der Bundesregierung klar zurückgewiesen wurde.

Alle Sachbezugsleistungen im Rahmen der 44-Euro-Freigrenze, die seit dem 01.01.2020 gewährt wurden, sind allerdings nicht steuerbegünstigt im Rahmen von Gehaltsumwandlungen nutzbar. Da dies bereits durch den Wortlaut der Gesetzesergänzung in § 3 Abs. 2 Satz 11, letzter Halbsatz: (bleiben nur dann außer Ansatz,) „wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden“ – ausgeschlossen wurde.

 

Februar 2020 Klarstellung fehlt
Mit der aktuellen Gesetzeslage ist unklar, ob das Tatbestandsmerkmal „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ auch dann als erfüllt angesehen wird, „wenn der Arbeitnehmer arbeitsvertraglich oder aufgrund einer anderen arbeits- oder dienstrechtlichen Rechtsgrundlage einen Anspruch auf die zweckbestimmte Leistung hat“. Im Entwurf zum Jahressteuergesetz 2020 fehlt weiterhin eine entsprechende Klarstellung. Somit werden Gehaltsumwandlungen jeder Art ausgeschlossen. 

 

01.08.2019 Bundesfinanzhof 

Das vom Bundesfinanzhof getroffene Urteil (Az.: VI R 32/18) machte es in der Praxis möglich, dass regelbesteuerte Lohnbestandteile in günstiger besteuerte Zusatzleistungen umgewandelt werden könnten. Das Urteil hat Auswirkung auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals ‚zusätzlich‘.

 

01.01.2020 Jahressteuergesetz 2019 tritt in Kraft

Im Jahressteuergesetz 2019 ist in Form des “Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften” unter anderem eine Änderung zu § 8 EStG enthalten, welche auch auf den Begriff der Zusätzlichkeit eingeht:

§ 8 EStG wird wie folgt geändert:

Absatz 2 wird wie folgt geändert:
In Satz 11 wird der Punkt am Ende durch ein Semikolon ersetzt und es werden folgende Wörter angefügt:
"die nach Absatz 1 Satz 3 nicht zu den Einnahmen in Geld gehörenden Gutscheine und Geldkarten bleiben nur dann außer Ansatz, wenn sie zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden."


 

16.01.2020 Referentenentwurf 

Im Referentenentwurf eines “Gesetzes zur Einführung der Grundrente” ist unter anderem eine Definition des Zusätzlichkeitserfordernisses enthalten. Demnach sollte dem § 8 EStG der neue Absatz 4 hinzugefügt werden. Diese neue Vorschrift ist eine Reaktion auf die geänderte Rechtsprechung (Urteil Az.: VI R 32/18, siehe oben) des Bundesfinanzhofs.

Geplanter § 8 Absatz 4 EStG:

“(4) Im Sinne dieses Gesetzes werden Leistungen des Arbeitgebers (Sachbezüge oder Zuschüsse) für eine Beschäftigung nur dann zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn

der Wert der Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,

der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt oder

die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer Erhöhung des Arbeitslohns gewährt

wird.”

 

05.02.2020 BMF Schreiben
Es ergeht ein Schreiben des BMF an die Oberste Finanzbehörden der Länder zur “Ge­wäh­rung von Zu­satz­leis­tun­gen und Zu­läs­sig­keit von Ge­halt­sum­wand­lun­gen”. Dies erfolgt in Anwendung des BFH-Urteils vom 1. August 2019 - VI R 32/18 -:

“Mit Urteilen vom 1. August 2019 - VI R 32/18, VI R 21/17 (NV) und VI R 40/17 (NV) - hat

der BFH seine Rechtsprechung zu der in verschiedenen Steuerbefreiungs- und Pauschalbesteuerungsnormen oder anderen steuerbegünstigenden Normen des Einkommensteuergesetzes enthaltenen Tatbestandsvoraussetzung, wonach die jeweilige Steuervergünstigung davon abhängt, dass eine bestimmte Arbeitgeberleistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht werden muss (sog. Zusätzlichkeitsvoraussetzung), geändert.”

 

19.02.2020 Bundesregierung (Kabinettssitzung)
Der entsprechende Passus zur Definition des Zusätzlichkeitserfordernisses wird aus dem Entwurf des “Gesetzes zur Einführung der Grundrente” gestrichen und wurde somit nicht Teil des Kabinettsbeschlusses.

➤ Damit ist das Thema Zusätzlichkeitserfordernis erstmal vom Tisch. 

 

Momentan 
Es hat den Anschein, dass es momentan Unstimmigkeiten zwischen dem Gesetzgeber und der Finanzverwaltung gibt. Die Verwaltungsebene scheint eine strengere Regelung anzustreben, indem eine entsprechenden Klarstellung des Zusätzlichkeitserfordernis dem Gesetzgeber untergeschoben werde. Ähnlich wie beim Entwurf des “Gesetzes zur Einführung der Grundrente” geschehen, könne Gerüchten zufolge ein solcher Anlauf abermals in einem anderen themenfremden Gesetzgebungsverfahren, beispielsweise mit dem “Kohleausstiegsgesetz”, unternommen werden. 

Es könnte aber auch sein, dass eine entsprechende Klarstellung mit dem nächsten Jahressteuergesetz kommt.

Auswirkungen auf die givve® Card

Sachbezüge werden zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt. Deswegen ist eine Gehaltsumwandlung bei der givve® Card seit dem 01.01.2020 nicht mehr möglich. 

 

Externe Stellungnahmen & Berichte

Die 8 großen Spitzenverbände:

"Zudem sollte klargestellt werden, dass eine „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbrachte Leistung auch dann vorliegen kann, wenn ein entsprechender arbeitsrechtlicher Anspruch (z. B. in einem Tarifvertrag) besteht [...]."

Auch die Rückwirkung für 2020 wird von den Verbänden kritisiert.

Quelle: www.bundestag.de

 

Deutscher Steuerberaterverband e.V.:

"Gerade in der gegenwärtig überaus angespannten Situation vieler Unternehmen sollte eine gesetzliche Neuregelung daher keine zusätzliche Verschärfung für Arbeitgeber mit sich bringen. Zugleich sollte den Unternehmen nicht die Chance genommen werden, ihren Beschäftigten in Form von betrieblichen Benefits die besondere Wertschätzung ihrer Arbeitsleistung auszudrücken. Aus diesem Grund sollte die Möglichkeit der Vereinbarung nachträglicher Zuwendungen anstatt einer Barlohnerhöhung auch zukünftig erhalten bleiben."

"Ebenfalls kritisch sieht der DStV die Rückwirkung auf das Jahr 2020."

Quelle: www.bundestag.de

 

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22.02.2020: “Steuersparen mit dem Arbeitgeber”

"Was heißt zusätzlich? Zwischen den höchsten Steuerrichtern und der Finanzverwaltung ist ein Tauziehen zu beobachten, das merkwürdige Wege zu nehmen droht."  

Quelle: www.faz.net